Drei Punkte fehlten mir, um das zweite Staatsexamen zu bestehen. Während der 6 Monate Vorbereitung noch relativ sicher, dass es klappen wird, lief es bei der Generalprobe deutlich schlechter und ich fiel knapp durch.
Habe ich zu wenig gelernt? Bin ich nicht gut genug? Will ich vielleicht gar nicht Arzt werden und habe mich deswegen nicht so angestrengt?
Diese Gedanken und noch viele mehr gingen mir durch den Kopf, aber konnten mir nach dem Examen auch nicht wirklich weiterhelfen bei der Frage: Warum bin ich durchgefallen?
Ist das M2 schwer?
Klar gibt es einige, die das M2 nicht bestehen und noch einmal antreten dürfen. Im Gegensatz zum Physikum ist die Durchfallquote aber sehr gering, angeblich nur wenige Prozent. Im Frühling 2020 beispielsweise lag sie bei nur 1,9%. Persönlich kenne ich niemanden, der oder die durchgefallen ist, und das M2 gilt allgemein als relativ sicher machbar. Fällt man dann durch, weil man einfach mal/gerade Pech hat? Einen schlechten Tag (bzw. drei Tage) erwischt? Oder weil man sich falsch vorbereitet oder zu wenig macht? Mir ist auf jeden Fall klar, dass mehr als nur Pech an meinem Scheitern schuld war.
Was habe ich zumindest richtig gemacht?
Bevor jetzt kommt, was ich alles hätte anders machen sollen (oder am besten gar nicht erst hätte machen sollen), zunächst ein paar Punkte, an denen es wohl nicht gelegen hat:
Amboss
Gelernt habe ich, wie die meisten Medizinstudenten in Deutschland, mit dem 100-Tage-Lernplan von Amboss. Ich habe mich zumindest vom Ablauf her an den Plan gehalten (nur die Lerntage Pharma hatte ich wegen meiner Klausur im Januar vorgezogen). In die „high-impact“ Kapitel habe ich viel Arbeit gesteckt. Die Lernplattform war auf jeden Fall nicht schuld.
Kein Zusammenfassen oder ausgiebige Notizen
Für die meisten ist wohl auch klar, dass man nicht die Zeit hat, den Stoff noch zusammenzufassen (und halbe Romane in seine Blöcke zu schreiben). Mal ein paar Notizen zu machen kann sicher sinnvoll sein, aber die Meinungen dazu variieren schon stark. Selbst für das Lesen und Kreuzen reicht die Zeit oftmals gerade so. Aufschreiben, Zusammenfassen oder Kategorisieren (z.B. einen Baum aufmalen) geht dementsprechend mit weniger Zeit für das Üben, Verstehen und Kreuzen einher. Wo es auf jeden Fall Einklang gibt, ist, dass gerade das tagtägliche Kreuzen einen nicht ersetzbaren Faktor bei der Examensvorbereitung darstellt. Mit Notizen habe ich keine Zeit verschenkt.
Pausen einlegen
Gelernt hatte ich nach der Pomodoro-Methode. Darauf kam ich durch Youtube-Videos vom amerikanischen Medizinstudenten Zach Highley. Nur zufällig auf seinen Kanal gestoßen, hatte er mich schon vor der Examensvorbereitung mit dieser Lernmethode überzeugt. 25 Minuten lernen, dann fünf Minuten Pause. Dann wieder Lernen und so weiter. Alle zwei Stunden kommt dann eine 30-minütige Pause. In den Pausen soll man weg vom Bildschirm (Handy!) und lieber beispielsweise rausgehen, lesen oder häusliche Arbeiten verrichten. Ich lernte tagtäglich mit dieser Methode und alle halbe Stunde aufzustehen und sich vom Arbeitsplatz weg zu bewegen haben mir geholfen lange durchzuhalten und über den Tag hinweg aufmerksam zu bleiben.
Meditricks
Meditrickst ist insgesamt sehr zeitintensiv, wenn man alles durchschauen und durcharbeiten will. Ich finde, für die großen Themen hat es mir durch die gute visuelle Darstellung und Eselsbrücken viel gebracht. Vor allem das Lernen von Detailwissen war mir um einiges erleichtert, zudem ist Meditricks auch nicht schlecht als Abwechslung zum monotonen Amboss durcharbeiten. Wenn man genügend Zeit hat, ist Meditricks sicher eine gute Wahl wenn man mit der Art der Videos mit ihren eher abstrakten Geschichten und Eselsbrücken klarkommt. // Wenn man genügend Zeit hat und mit der Art der Videos (abstrakte Geschichten, Eselsbrücken) klarkommt, ist Meditricks sicher eine gute Wahl.
Meine 6 Fehler
Auch wenn ich rundum „gut“ gelernt und ausreichend Abwechslung zum Lernen hatte, stimmte mit meiner Vorbereitung so einiges nicht. Meiner Meinung nach waren es folgende Punkte:
- Schlechte Grundlagen aus der Klinik
- Ausgiebiges Lernen mit Anki bzw. Karteikarten
- Wenig freie Tage
- Nicht alles lesen
- Auswendig lernen statt Verstehen
- Nicht alles kreuzen
1. Schlechte Grundlagen aus der Klinik
Klar, dagegen kann man auch nichts mehr machen, wenn der 100-Tage-Plan einmal losgeht. Könnte ich in der Zeit aber noch weiter zurückgehen als nur zu Tag 1 des Lernplans, und zwar in die frühen klinischen Semester, dann würde ich besonders die Innere Medizin besser mitlernen. An der TU München waren in diesem Fach die Prüfungen „relativ“ leicht und man konnte sie allein durch ein intensives Kreuzen der Altfragen bestehen. Im Gegensatz zu Neuro oder Pharma, wo man wirklich büffeln und auch mal bangen musste ob man durchkommt, hatte ich in die Innere Medizin nicht so viel Energie gesteckt. Bedenkt man, dass ca. 20% des M2 aus der Inneren bestehen, war hier durchgehend von Kardiologie bis Rheumatologie enorm viel nachzuholen.
2. Ausgiebiges Lernen mit Anki bzw. Karteikarten
Wiederholen und Wiederholen, bis die Fakten auch auf der Überholspur mit 200 km/h sitzen. Anki ist ein gutes Programm. Ein sehr gutes. Ich war an der Decke, als ich von einer Freundin erfahren habe, dass es mittlerweile ein fast komplettes Deck für das M2 gibt, das, was die Amerikaner für ihr USMLE schon längst haben. Doch so effizient man mit Anki Karteikarten lernt und vor allem wiederholt, ist es meiner Meinung nach nicht die beste Option für das M2, wenn man die Karten zum ersten Mal durcharbeiten will. Und dafür gibt es zwei Gründe.
Erstens, man schafft nicht alles. Klar, man kann sich auf die TOP 100 Themen von Amboss beschränken. Man kann natürlich auch nur die Kapitel lernen, die man noch nicht so gut kann. Aber wie vorher erwähnt, die Vorbereitungszeit reicht gerade so für das Lesen und Kreuzen (und natürlich falsche Fragen durchgehen bzw. nachlesen, was man nicht wusste).
Zweitens ist die Zeit, in der man Karteikarten lernt, in das Verstehen und Kreuzen besser investiert als Massen zu wiederholen. Zumindest für die Studierenden, die mit Amboss allein ihren Tag schon gut füllen, würde ein intensives Anki die Zeit woanders rauben. Selbst die TOP 100 Kapitel haben oft über 100 oder sogar über 150 Karteikarten. Lieber lese ich gezielt nach, was ich z.B. beim Kreuzen nicht wusste oder versuche beim Lesen die Zusammenhänge zu verstehen (natürlich kann man hier nicht großartig in die Tiefe gehen, aber das ist beim M2 auch nicht gefragt, außer vielleicht wenn man die Note 1 möchte). Bei mir ist ein Großteil der Zeit für Anki draufgegangen. Das war für das Examen am Ende kontraproduktiv.
3. Wenig freie Tage
Während des Examens war mein Wissen teilweise wie ausgelöscht. Als läge eine dicke Wolkenschicht über meinem Hirn, die mich daran hindert, mein Wissen abzurufen. In der gesamten Vorbereitungszeit hatte ich nur einen Tag pro Woche frei. Und auch an dem ging ich für ca. zwei Stunden die täglich anfallenden Anki-Karteikarten durch. Nach meinem Urlaub auf Lanzarote waren es immer noch 2,5 Monate bis zur Prüfung, sozusagen ohne Pause. Selbst am letzten Tag vor dem Examen kreuzte ich noch am Morgen und hatte somit einfach keine Zeit mehr, mich ausreichend zu erholen. Diesmal nehme ich mir 2 Tage pro Woche frei, was ich zwar nicht immer einhalte (z.B. fahre ich an einem Donnerstag Abend weg und lerne dafür den Samstag danach), aber im Trend habe ich deutlich mehr freie Tage und damit mehr Zeit für Erholung.
4. Nicht alles lesen
Vom Lesen nehme ich nichts mit, das ist doch nur verschwendete Zeit!
Hört man immer wieder mal, auf jeden Fall waren das meine Gedanken.
Ja, das Lesen ist insgesamt vielleicht nicht die beste Methode, um etwas zu lernen. Bei der Fülle an Stoff ist es aber auch unmöglich, den ganzen Stoff mit eigens erstellten Übersichten, Karteikarten usw. durchzugehen. Wie schon gesagt, bei einzelnen Themen funktioniert das eventuell, auch variiert es einfach von Person zu Person sehr stark.
Für mich auf jeden Fall war das Weglassen der low-impact Kapitel nicht vorteilhaft. Die TOP 100 Themen deckten zwar den Großteil des Lernplans ab, aber eben einen beachtlichen Teil auch nicht. Und da ist es einfach schade, wenn man teils einfache Punkte verschenkt, nur weil man ein selten vorkommendes Thema nicht mal zumindest überflogen hat und dadurch zumindest ein paar grobe Fakten dazu weiß. Und das ist der Punkt, den ich am Lesen so wichtig finde. Obwohl man oft das Gefühl hat, sich niemals alles merken zu können, erinnert man sich beim Kreuzen trotzdem an die paar Eckpunkte, die ausreichen, falsche Antworten wegzustreichen und sich richtig zu entscheiden. Und durch das tagtägliche Testen (Kreuzen) merkt man sich die Info dann irgendwie doch länger als man dachte.
Im Endeffekt war mir Folgendes nicht klar: es ist besser, über alles ein bisschen was zu wissen als ein paar Kapitel richtig gut und dafür andere gar nicht zu können.
5. Auswendig lernen statt Verstehen
Ihr Mediziner müsst ja echt viel auswendig lernen.
Hört man auch immer wieder mal, außerhalb der Uni.
Ich habe wirklich viel für mein Examen gelernt. Und zwar ineffizient und zeitintensiv. Die Massen an zu wiederholenden + neuen Karteikarten in Anki nahmen so viel des Lerntages ein, dass ich irgendwann nur noch versuchte, Fakten im Kopf zu behalten, a.k.a. auswendig zu lernen. Dabei blieb kaum Zeit für das Wichtigste beim Lernen, egal ob für Medizin oder nicht: das Verstehen.
Ich war tagtäglich damit beschäftigt, die Karteikarten möglichst schnell durchzugehen, dabei blieben aber das grundlegende Verständnis und das Wahrnehmen von Zusammenhängen oftmals aus. Die Karten werden (in diesem Fall) leider durcheinander abgefragt, beispielsweise erst ein Fakt zur Therapie einer Erkrankung, dann zur Diagnostik einer anderen (aus dem Kapitel) und dann noch eine zu der Ätiologie einer dritten Erkrankung, und immer so weiter. Anstatt nur über ein Kapitel nur kurz „drüberzuschauen“, um dann möglichst viele Karteikarten durchzugehen, hätte ich Zeit für das gründliche Lesen und Wahrnehmen eines Themas nehmen sollen. Denn auch wenn man nicht die Zeit hat, alles perfekt bis aufs Detail verstanden zu haben, hilft es, sich beim Lesen ein paar Gedanken zu machen, wenn man es Verstehen und in der Prüfung anwenden will.
Damit erkennt man Zusammenhänge und kann beim Beantworten der Fragen sinnvolle Rückschlüsse ziehen, auch wenn man von vornherein nicht alles weiß oder es eben auswendig gelernt hat.
6. Nicht alles kreuzen
Der größte aller Fehler ist, nicht zu tun, was wirklich für jeden Medizinstudierenden klar sein sollte: alles kreuzen! Meine Anki-Sessions zogen sich dermaßen in die Länge, dass für das vollständige Kreuzen oftmals nicht mehr genug Zeit blieb. Anfangs kreuzte ich sogar sehr wenig und erst etwa im letzten Drittel dann vollständig. Meine Ergebnisse waren vor allem Anfangs aber relativ in Ordnung, sodass ich mir wegen einem schlechten Kreuz-Trend keine Sorgen machte. Erst bei der Generalprobe merkte ich, dass Lücken da waren, die ich in den letzen paar Wochen nicht mehr füllen konnte.
Das Kreuzen ist der ultimative Test, ob man den Stoff verstanden hat oder nicht und ob man fürs Examen fit in dem Thema ist – oder eben noch nicht. Sich zu testen ist – nach dem Verstehen natürlich – für das schriftliche Single-Choice Examen definitiv die am besten investierte Zeit. Da hilft es nichts, fit in seinen Anki-Karten zu sein, da die Aufgabenstellung im M2 komplett anders ist als Fakten runter zu rattern. Und da beim Kreuzen Themen aus verschiedenen Lerntagen (aus dem gleichen Fach) abgefragt werden und die letzten 15 Lerntage nochmal alles drankommt, ist das Wiederholen des Stoffes zu einem bestimmten Maß auch gegeben.
Im Examen muss man sich in oftmals lange Fälle einfuchsen und die wichtigsten Schlüsselwörter aus langen Texten herausfiltern, um auf die gefragte Diagnose etc. zu kommen. Stattdessen Karteikarten zu machen, die auf kurze Fakten basieren, ist einfach kontraproduktiv. Einen Sprinter ausschließlich schwimmen zu lassen wird ihn nicht zum Sieg führen. Also: legt den Fokus aufs Kreuzen und Lesen (Verstehen), alles andere ist zweitrangig!
Fazit
Das M2 ist definitiv machbar und mit der richtigen Planung zu schaffen (auch wenn man sicher seine Tage hat, an denen es einfach mal nicht läuft). Mein Plan, mich möglichst gut vorzubereiten und den Stoff mit tausenden von Anki-Karteikarten zu lernen, die regelmäßig wiederholt wurden, stellte sich als einen Fehler heraus. Der Schuss ging definitiv nach hinten los und wäre im Nachhinein so einfach vermeidbar gewesen, indem ich „weniger kompliziert“ gelernt und mich auf das Wesentliche konzentriert hätte: Verstehen (Lesen), Testen (Kreuzen) und Wiederholen (Kreuzen).
Sicher kann man mehr als das machen, aber diese Punkte sind meiner Meinung nach die absolute Grundlage. Mir wurde dies nach dem Verhauen des Examens klar. Jetzt, beim zweiten Anlauf, sollten die Lernmethoden richtig priorisiert sein.