In meinem letzten Beitrag ging es um meinen ersten Tag im Praktischen Jahr. Nachdem schon fast die Halbzeit im ersten Tertial angekommen ist, kommt ein kleiner Überblick über den typischen Tagesablauf im PJ Psychiatrie.
Wie die einzelnen Tage und Wochen in der Psychiatrie strukturiert sind, hängt zum Teil von der jeweiligen Einrichtung ab. Beispielsweise, ob die Oberarztvisite für die ganze Woche an einem oder an mehreren Terminen stattfindet. Einzelgespräche mit den Psycholog*innen, Musik-, Kunst- und Ergotherapie, eventuell EKTs oder Treffen mit dem Sozialdienst (besonders in der Gerontopsychiatrie) spannen die Patienten über weite Teile des Tages ein und bestimmen so auch den Ablauf im PJ mit.
8:15 Versammlung
An meiner Klinik beginnt der Tag um 8:15 mit der „Versammlung“ in der Turnhalle. Direktor, Ärzte, Psychologen und Sozialarbeiter sind versammelt und lassen sich vom Dienst berichten, was so in der letzten Nacht und eventuell am Wochenende passiert ist (z.B. ob jemand fixiert werden musste) und welche Aufnahmen stattgefunden haben. Der aktuelle Bettenstand wird ebenfalls von je einem Verantwortlichen aller Stationen verkündet.
Ansonsten werden weitere wichtige Punkte in dieser großen Runde besprochen, falls welche anfallen. Auch, wenn wichtige Ereignisse stattfinden oder wegen vieler Krankheitsausfälle Rücksicht genommen werden soll. Insgesamt dauert die Runde etwa 10 bis 20 Minuten.
Einmal die Woche findet zudem ein Kurzvortrag von einem Assistenzarzt statt, anschließend wird kurz darüber diskutiert.
Ebenfalls einmal die Woche bleiben Psychologen und Assistenzärzte da, um über die Arbeitsverhältnisse zu diskutieren, z.B. wie der Urlaub an Stoßzeiten (Weihnachten, Ostern, August) gerecht aufgeteilt wird, oder wann Teilzeitkräfte ihre freien Tage nehmen sollten oder nicht.
8:45 Freie Zeiteinteilung
Nach der Morgenversammlung gehe ich erst einmal an meinen Computer, oder – wenn noch ein wenig Zeit bleibt – hole ich mir schnell ein kleines Frühstück, das glücklicherweise den PJlern an der Hauptklinik kostenlos angeboten wird.
Bis die Pflege für die Kurvenvisite zu uns kommt, drucke ich mir die aktuelle Patientenliste der Station aus und gehe Neuzugänge im System durch. Dabei schaue ich mir den Aufnahmebrief an, die Verlaufsdokumentation (wie sich der Patient seit Aufnahme verhält), und zudem die Medikamentenliste und bei Bedarf das Labor (relevanter in der Gerontopsychiatrie).
Falls es keine Neuzugänge gegeben hat, gehe ich die Verlaufsdoku von Patienten durch die gerade eine schwerere Phase durchgehen oder auf sonstige Weise im Moment wichtig zu wissen sind. Dazu gehören auch Patienten, die ich selber mitbetreue.
9:15 / 9:30 Kurvenvisite
Wenn an dem Tag eine Oberarztvisite stattfindet, dann etwas früher, ansonsten gegen 9:30 kommt eine Pflegekraft der Station zum Stationsarzt und spricht seine Patienten mit ihm durch.
Ich sitze dabei an meinem Arbeitsplatz und gehe die Patienten mit durch. Manchmal habe ich eine Frage dazu und hake ein, manchmal habe ich eine nützliche Info aus einem Gespräch, das ich mit dem Patienten mal geführt habe oder aus der Verlaufsdoku.
Hier ist es so, dass ich einfach ohne was zu sagen dabei sitzen könnte und das wäre so okay. Da ich es aber ganz cool finde, mitzureden, bringe ich mich meistens so gut ein wie es geht und diskutiere mit. Sicher hält das manchmal auf, manchmal hilft es aber auch weiter. Auf jeden Fall fühle ich mich so als Teil des Teams.
Auch bekomme ich hier manchmal Aufgaben wie einen Demenztest durchzuführen oder mal einen Patienten abzuhorchen. Zudem biete ich das auch an, wenn ich sehe, dass das weiterhelfen könnte. Ist wie gesagt alles freiwillig, man kann sich sicher auch weniger einbringen.
9:30 Oberarztvisite (1-2x/Woche)
Bei meiner Famulatur an einer anderen Klinik nur einmal die Woche, findet die Oberarztvisite bei uns zweimal wöchentlich, aufgeteilt, statt. Montag für den geschlossenen Bereich, Mittwoch für den Offenen.
Die Oberärztin kommt auf die Station und ich setze mich mit der Stationsärztin, der Psychologin, der Sozialarbeiterin und einer Pflegekraft so mehr oder weniger im Halbkreis auf, dem Patienten zugewandt. Einzeln werden dann die Patienten hereingebeten und erzählen, wie es ihnen geht. In einigen Fällen sind sie leider nicht in der Lage zu sprechen, dann fällt die Visite dementsprechend kurz aus.
Nach jedem Patienten wird kurz besprochen, wie weiter vorzugehen ist.
- Soll der Patient noch in der Klinik bleiben oder soll er entlassen werden?
- Ist die Medikation richtig eingestellt oder soll sie gewechselt werden? Oder soll zumindest die Dosis angepasst werden?
- Nimmt der Patient an den therapeutischen Angeboten teil?
- Darf der Patient am Wochenende nur tagsüber oder auch über Nacht nach Hause? Darf er am Wochenende überhaupt nach Hause?
- Braucht der Patient eine Pflegekraft zu Hause? Oder ist der Patient gar nicht mehr in der Lage, nach Hause zurückzukehren? Soll er dann in ein Heim? In ein betreutes Wohnen?
Diese sind nur einige der Fragen, die aufkommen können und innerhalb kurzer Zeit abgesprochen werden. Der Stationsarzt dokumentiert entweder mit oder nach der Visite. Manchmal dokumentiere ich einfach mit, das nimmt dann auch einiges an Arbeit im Nachhinein ab.
So kommen die Patienten nach und nach zu uns herein und werden im Anschluss jeweils kurz unter den Mitarbeitern besprochen. Die Visite dauert sehr unterschiedlich, etwa ein bis zwei Stunden. Manche Patienten können nicht selbstständig ins Arztzimmer hereinkommen und werden im Anschluss in ihrem Zimmer, meist im Bett liegend, besucht.
11:00 Freie Zeiteinteilung
Nach der Oberarztvisite ist der Vormittag fast schon vorbei. Falls für mich irgendwelche Aufgaben anfallen, erledige ich diese danach noch vor dem Mittagessen, soweit möglich. Körperliche Untersuchung, Abhorchen, oder manchmal auch ein Kurzgespräch.
Gespräche mit Patienten
Für die Kurzgespräche mit den Patienten nehme ich mir aber mindestens 30 Minuten Zeit, manchmal vergeht die Zeit doch so schnell und ich bin auch mal eine Stunde dabei. Wenn die Oberarztvisite sehr lange geht, verschiebe ich das Gespräch lieber auf Nachmittags oder den nächsten Tag. Ansonsten, wenn keine Visite war, habe ich ja noch ca. 2 Stunden bis zur Mittagspause und ein Gespräch passt da eigentlich immer rein.
Im Kopf behalten sollte man auch grob das Therapieprogramm der Patienten. Täglich finden ein oder zwei Sessions statt, wie Musik, Ergo, Kunst oder Sport. Anfangs ist es mir schon ein paar Mal passiert, dass ich ein Gespräch vorgenommen hatte, der Patient aber gar nicht auf Station war. Zum Glück hängt der Plan aus und auch über meinen PC habe ich mittlerweile gefunden, wo ich die Programme der Patienten nachschauen kann.
Pharma Wiederholen
Wenn gerade nichts zu tun ist, was natürlich öfter mal vorkommt, versuche ich meine Zeit sinnvoll zu nutzen. Da ich einen PC habe und somit Zugang zu sämtlichen Daten der Patienten, schaue ich beispielsweise die Medikation durch.
Auf Amboss sehe ich dann bei Beschwerden der Patienten nach, ob diese auf die Medikation zurückzuführen sind. Das ist, finde ich, eine gute Übung um die Pharma ein wenig zu wiederholen und live mitzuerleben, was bestimmte Antipsychotika und Antidepressiva anrichten können.
EKGs
Auf der Gerontopsychiatrie fallen deutlich mehr somatische Beschwerden an, als auf anderen psychiatrischen Stationen. Dadurch werden auch häufig EKGs durchgeführt, die ich selber befunden darf. Ebenfalls eine gute Übung für Examen und den baldigen Karrierestart als Arzt.
An Therapien teilnehmen
Hin und wieder schaue ich in die einzelnen Therapien auch mit rein. Das fühlt sich am Anfang komisch an, wenn man plötzlich neben den Patienten dasitzt und auf die Trommel schlägt, oder einen Weihnachtsstern bastelt. Man gewöhnt sich aber auch schnell dran. Ich denke, dass man so die Patienten noch besser kennen lernt, und manchmal merkt man auch Verhalten der Patienten, die sonst den Stationsärzten verwehrt bleiben.
Aufnahmen
Nicht super häufig und vor allem nicht planbar, finden natürlich auch Aufnahmen statt. Je nachdem, wie kompliziert der Patient, setze ich mich einfach mit dazu oder führe das Aufnahmegespräch selbst. Die körperliche und neurologische Untersuchung darf ich eigentlich immer selber machen.
Dokumentieren
Natürlich gehört es bei Gesprächen, Aufnahmen, Untersuchungen und eigentlich allem, was man am oder mit dem Patienten macht, dazu, es zu dokumentieren. Am Anfang noch etwas ungewohnt, hatte ich an sich relativ schnell raus wo was wie eingetragen gehört.
Weitere Tätigkeiten
Die Blutentnahme übernimmt die Pflege, Nadeln legen nicht. Einmal alle ein bis zwei Wochen wurde ich gefragt, einen Zugang zu legen. Hält sich also in Grenzen.
Lumbalpunktionen fanden bisher super selten statt. Einmal durfte ich bis jetzt zuschauen und ein wenig mithelfen (den Patienten unterstützen und beruhigen, Material anreichen). Mehr aber auch nicht.
Einmal war ich mit dem Sozialdienst und einem Patienten auf einer Art Hausbesuch bei diesem Patienten, um die Wohnsituation zu begutachten.
12:00 Mittagspause
Je nachdem wie viel gerade zu tun ist, mache ich ab 12 oder 12:30 Pause und laufe rüber in die Hauptklinik. Auch das Mittagessen ist für PJler in der Mensa frei. Auch wenn wir in der Psychiatrie nie mehr als 2 PJler gleichzeitig sind, machen insgesamt über 20 Studenten ihr Praktisches Jahr an anderen Fachabteilungen, von denen ich eigentlich immer ein paar Leute in der Mensa antreffe.
Das Essen ist für eine Krankenhauskantine okay. Es ist nicht sonderlich gut, und vor allem wenn man vegetarisch unterwegs ist, gibt es nicht sehr viel Abwechslung. Trotzdem ist Suppe, Hauptspeise, Salat und Nachspeise kostenlos für PJler und auch um einiges besser als das Essen an meiner eigenen Uniklinik.
13:00 Freie Zeiteinteilung
Ähnlich wie vormittags, können hier wieder ganz unterschiedliche Aufgaben anfallen. Feste Termine gibt es eigentlich nicht mehr, also schaue ich wieder einfach was zu tun ist. Gespräche mit Patienten, Aufnahmen und Untersuchungen können gleichermaßen anfallen.
15:00 Seminar / Ende
Meist zweimal pro Woche finden Seminare in der Hauptklinik statt. Zusammen mit allen anderen PJ-Studenten hören wir Themen aus verschiedenen Fachrichtungen, wie Radiologie, Anästhesie und der Inneren Medizin. Auch die Psychiatrie ist einmal pro PJ-Turnus an der Reihe.
Wenn kein Seminar stattfindet und nichts akut zu erledigen ist, gehe ich einfach heim. Meistens um 3, manchmal auch etwas früher oder später. Die Entscheidung liegt bei mir, und das finde ich super. Ich könnte sicher auch noch früher gehen, solange ich aber sinnvoll mitarbeiten kann, bin ich gerne in der Klinik.
Schlussgedanken
Auf meiner bisherigen Station war ich absolut zufrieden. Natürlich gibt es Momente, besonders Anfangs noch, wo man nicht weiß, was man tun soll. Die Option, die Zeit sinnvoll und selbstständig zu nutzen und – falls nichts zu tun ist – nachmittags auch gehen zu können, ist so wie es im PJ auch sein sollte.
Jetzt geht es bei mir auf einer neuen Station weiter. Ich denke, dass das tagtägliche Arbeiten ähnlich ablaufen wird, die Akutpsychiatrie unterscheidet sich aber auch bestimmt in einigen Punkten von der Gerontopsychiatrie.
Der Ablauf ist an anderen psychiatrischen Kliniken sicher teils anders und ist von der Organisation und dem Aufbau der eigentlichen Station abhängig. Schlussendlich kann ich nur sagen, dass ein PJ an der Psychiatrie deutlich anders ist als in anderen Fachabteilungen.
Man wird als PJler wertgeschätzt, hat viele Freiheiten und kann selbstständig arbeiten, bekommt einen Arbeitsplatz und – in unserem Fall – auch mehr Geld. Wer sich die Psychiatrie später vorstellen kann, oder einfach ein bisschen in diese Fachrichtung eintauchen möchte (für zukünftige Hausärzte nicht unwichtig!), dem kann ich das PJ in der Psychiatrie auf jeden Fall empfehlen.